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In den vergangenen vier Jahren wurden 245 Sitzungen im Bundestag abgehalten. 3015 Tagesordnungspunkte (TOPs) wurden dabei im Parlament diskutiert. Die TOPs haben wir in 28 Politikfelder kategorisiert, sodass man nachvollziehen
kann, welche Themen zwischen 2013 und 2017 besonders stark debattiert wurden.
Gesellschaftspolitik ist häufigstes Thema
Die Themen "Gesellschaftspolitik und soziale Gruppen" (333 TOPs), "Recht" (312 TOPs), "Außenpolitik und internationale Beziehungen" (262 TOPs) wurden am häufigsten im Parlament diskutiert. Das Thema "Politisches Leben, Parteien"
wird von den Parteien am wenigsten behandelt (18 TOPs), dicht gefolgt von dem Thema "Sport, Freizeit und Tourismus" (24 TOPs). Während die meisten Themen im Zeitverlauf überwiegend gleich häufig besprochen wurden, stieg der
Anteil zum Teil auch stark an. Die Redezeit zum Thema Zuwanderung hat sich zwischen 2014 und 2016 von 14 auf 32 Stunden mehr als verdoppelt. Anders ist es bei der Europapolitik. Haben sich 2014 noch 61 TOPs mit europapolitischen
Fragen beschäftigt, sind es 2016 nur noch 40.
Die griechische Staatsschuldenkrise
Massive Kreditausfälle und drohende Staatspleiten durch die Finanzkrise wurden für die EU ab 2007 zur Herausforderung, was sich auch in den
Plenarprotokollen des Bundestages
widerspiegelt. Nachdem im November 2009 das griechische Haushaltsdefizit mit 12,5 % ermittelt wird,
kam es in den Folgejahren zu einer immer schwierigeren Finanzierungssituation.
Kreditzahlungen durch den IWF und später den EFSM
werden an drastische Spar- und Privatisierungsmaßnahmen gekoppelt. Der wachsende Unmut der griechischen Bevölkerung befeuert neue Parteien am rechten und linken Rand. Unter Ankündigung, die massiven Sparauflagen der TROIKA nicht
mehr länger mitzutragen, geht die linke SYRIZA Partei unter Tsipras im Januar 2015 als neue Regierung hervor. Der griechische Staat kann sich zu dem Zeitpunkt kaum noch finanzieren. Die Krise
gipfelt in einem 17-stündigen Verhandlungsmarathon, in dem sich Tsipras dem Willen der Eurogruppe beugen muss und ein neues Hilfspaket für Griechenland akzeptiert. Die Verlängerung der Hilfskredite bedarf auch der Zustimmung des Deutschen
Bundestages, indem es immer wieder zu hitzigen Debatten kommt.
Wie spiegelt sich der Konflikt in den Bundestagsdebatten wider?
In der vergangenen Legislaturperiode debattiert der Bundestag zwischen Dezember 2014 und August 2015 die Griechenlandhilfen insgesamt sieben mal. Der Begriff ‘Grexit’, also der Austritt Griechenlands aus dem
Euroraum, fällt dabei
das erste Mal in der Verlängerung des 2. Hilfspaketes (27.02.2015), nachdem Finanzminister Schäuble und Teile der CDU in den Wochen zuvor die Option öffentlich diskutieren. Für die Opposition ist dies eine unverantwortliche
Politik.
Und dann konnte sich Herr Schäuble auch noch auf die SPD und Herrn Gabriel bei der Erpressung Griechenlands mit dem Grexit verlassen. Das ist ein
Skandal, sage ich Ihnen.
Allerdings werden die Stimmen für einen Grexit lauter und schließlich kommt es bei den Verhandlungen zu einem dritten Hilfspaket in der Union zum innerparteilichen Streit, da einige Abgeordnete nicht an die Rückzahlung eines
neuen Kredits glauben. Mit den Worten “der Grieche hat jetzt lang genug genervt” (ZDF,13.07.2015), kommentiert der CDU-Vize Strobl die 17-stündigen Verhandlungen zwischen
der Eurogruppe und Tsipras. In diesen musste der griechische Präsident erneut harte Konditionen für ein drittes
Hilfspaket akzeptieren.
In der Bundestagabstimmung zu einem neuen Paket wirbt Gerda Hasselfeld (CDU/CSU) für Zustimmung zum Programm:
Mit all seinen Maßnahmen bietet dieses Programm eine gute Chance für Griechenland, die Staatsschuldenkrise zu bewältigen. Es ist eine gute Grundlage für eine weitere positive wirtschaftliche und politische
Entwicklung in Europa, ja, für weitere wirtschaftliche und politische Stabilität in Europa. Dies brauchen wir, wenn wir die anderen Probleme, die gerade angesprochen wurden, wie beispielsweise die Asylproblematik,
gemeinsam lösen wollen. Deshalb empfehle ich Zustimmung.
Diese Haltung wird von der Mehrheit der CDU/CSU geteilt, allerdings gibt es auch andere Stimmen. Klaus-Peter Willsch
befürwortet nunmehr offen einen Austritt Griechenlands aus dem Euro:
Wir alle - Sie genauso wie ich - werden doch von vielen Menschen angeschrieben und angesprochen, die dafür nur noch ein Kopfschütteln übrig haben. Ich meine auch: Wenn man
- jetzt übertrage ich die normale Lebenserfahrung auf die Politik - zweimal mit Anlauf mit dem Kopf gegen die Wand gelaufen ist, dann sollte man einmal gucken, ob es nicht irgendwo eine Tür gibt. In diesem Fall ist
die Tür der Grexit. Das haben Sie, Herr Finanzminister, vor den Verhandlungen am letzten Freitag erfreulicherweise sehr ordentlich vorgetragen.
Die Uneinigkeit der Union spiegelt sich schließlich in der anschließenden Abstimmung zum 3. Hilfspaket wieder, in der 60 der 310 CDU/CSU
Abgeordnete von
der Parteilinie abweichen und gegen weitere Bewilligungen stimmen. Auch Volker Kauders (Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion) interne Androhungen, Abweichlern wichtige Posten in den Bundesausschüssen zu entziehen, konnte
dem nichts entgegensetzen (Die ZEIT).
Abgasskandal: Grüne Kritik an Dobrindts Haltung
Bereits im September 2015 wird bekannt, dass Volkswagen eine manipulierte Software einbauen ließ, um die Abgasvorschriften in den USA erfüllen zu können. In ca. 11 Millionen Fahrzeugen werden die wirklichen
Schadstoffemissionen
auf diese Weise vertuscht. Neben den bisher noch ausstehenden Forderungen in Höhe von 100 Milliarden löste der Skandal eine Krise in der deutschen Automobilindustrie aus (NDR). Im Frühjahr 2016 wird deutlich, dass nicht nur VW, sondern auch
weitere Autohersteller wie Porsche bei den Abgasvorschriften tricksen.
Auch für den Bundestag wurde der Abgasskandal ab Sommer 2015 zum Thema, wie die Plenarprotokolle zeigen. In acht offiziellen Tagespunkten widmet
sich die Politik
zwischen Juli 2015 bis März 2017 dem Thema der Abgasmanipulation. Am 7. Juli 2016 wird ein Untersuchungsausschuss eingerichtet, in dem geprüft wird, ob die Bundesregierung über die Software-Manipulationen bereits vor
Bekanntwerden des Skandals Bescheid wusste. Verkehrsminister Dobrindt und das Kraftfahrtbundesamt stehen besonders im Fokus, wie die Zwischenrufe der Grünen in den Debatten in den Auszügen zeigen.
Dobrindt wird dabei immer wieder vorgeworfen, die deutsche Autoindustrie in Schutz zu nehmen (SPIEGEL,03.08.17).
Sein größter Kritiker, Oliver Krischer, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Grünen und Mitglied im Ausschuss Verkehr und Bau, hat nur ein geringes Vertrauen in den Verkehrsminister die Manipulationen aufzuklären, wie
er immer wieder unter Beweis stellt.
Ich finde es genauso skandalös und da passt ins Bild, dass Herr Dobrindt seit inzwischen eineinhalb Jahren CO2-Messungen, die das
Kraftfahrt-Bundesamt durchgeführt hat und die ganz offensichtlich nicht den Regeln entsprechen, der Öffentlichkeit vorenthält. Hier soll im Sinne der Konzerne vertuscht und verschwiegen werden. Herr Dobrindt, Sie
sind der Schutzpatron der Trickser und Betrüger. Das möchte ich hier in aller Klarheit sagen.
Ich sage eines ganz deutlich: Das Hauptproblem in diesem Land ist, dass wir überhaupt keinen Verkehrsminister haben, und schon gar keinen, der die
Herausforderungen der Zukunft begriffen hat.
Wir haben leider nur einen CSU-Beauftragten zur Durchsetzung der vermaledeiten Ausländermaut. Es muss - verdammt noch mal! - Schluss damit sein,
dass das Verkehrsressort Verfügungsmasse einer südostdeutschen Regionalpartei ist.
Der Syrienkrieg und Merkels Migrationspolitik
Durch den Bürgerkrieg in Syrien und die Ausbreitung des Islamischen Staates, werden viele Menschen zur Flucht gezwungen. Die Hauptrouten nach Europa führen im Sommer 2015 entweder über die Türkei und die
Balkanstaaten oder von Nordafrika über das Mittelmeer. Im Vergleich zu 2013 verdreifacht sich 2015 die Anzahl derjenigen, die in Europa Schutz vor Terror und Krieg suchen. In der deutschen Politik werden viele Aspekte
des Krieges diskutiert, wie die Versorgung und Unterbringung der Geflüchteten, die Einführung einer (etwaigen) Obergrenze oder die Fluchtursachen. Zwischen Mai
2014 und November 2016 finden sechs Debatten im Bundestag zum Syrienkrieg statt und vier zu syrischen Geflüchteten, allerdings wird das Thema in sehr vielen weiteren Sitzungen mitdiskutiert (über 100 mal).
Bundeskanzlerin Merkel setzt sich zu Beginn immer wieder für eine europäische Lösung ein und vertritt eine aktive Flüchtlingspolitik, in der die Grenzen offen gehalten werden. Mit Sonderzügen werden Geflüchtete aus den
umliegenden Nachbarländern nach Deutschland befördert. Merkels Aussage “Wir schaffen das” (Bundespressekonferenz,
31.08.15) wird zum Sinnbild ihrer Politik und von den Parlamentariern immer wieder zitiert (in insgesamt
16 Sitzungen). Kritik erhält sie dafür allerdings
von der Schwesterpartei (CSU) sowie anderen EU-Staaten. Insbesondere die Mittel- und Osteuropäischen Mitgliedstaaten, wie Polen, Ungarn und Slowenien stellen sich gegen eine gemeinsame, europäische
Flüchtlingspolitik. Nachdem Ungarn und Slowenien Zäune entlang der Grenzen zu Serbien und Kroatien installieren und die Grenzübergänge in Idomeni,
Bulgarien/Mazedonien im Frühjahr 2016 gänzlich geschlossen werden, weichen immer mehr Menschen auf die gefährliche Reise über das Mittelmeer aus. Tausende Menschen sterben jährlich bei der Überfahrt.(Themigrantfiles).
Das EU-Türkei Abkommen
Merkel setzt sich Anfang 2016 für den viel kritisierten EU-Türkei Deal ein, in dem die Türkei zusagt, die EU Außengrenzen besser zu schützen und im Gegenzug 3 Milliarden Euro von der EU erhält.
Die Türkei ist und bleibt für die Europäische Union ein Schlüsselpartner. Sie ist zurzeit das wichtigste Transitland nach Europa, und sie
beherbergt mehr als 2 Millionen Flüchtlinge im eigenen Land. Wir haben zugesagt, 3 Milliarden Euro bereitzustellen. Ich bin dem Finanzminister sehr dankbar, dass er die Verhandlungen darüber, wie dies geschehen
kann, in Gang gesetzt hat. Ich hoffe, dass wir dabei Erfolg haben werden. Wir wollen diese 3 Milliarden Euro einsetzen, um die Lebenssituation der Flüchtlinge in der Türkei zu verbessern und damit Fluchtursachen
zu bekämpfen; denn je besser die Lebenssituation der Flüchtlinge innerhalb der Türkei ist, desto geringer wird die Not, den gefährlichen Weg nach Europa zu wagen.
Flüchtlinge ohne Asylanspruch sollen zudem direkt aus Griechenland in die Türkei
zurückgebracht werden. Für jeden Flüchtling ohne Asylanspruch nimmt die EU einen syrischen Flüchtling auf (ZEIT). Durch den Deal
kommen deutlich weniger Flüchtlinge in Griechenland an. Zuspruch erhält Merkel dafür aus den eigenen Reihen, beispielsweise von Gerda Hasselfeldt, (CDU/CSU):
Ich bin der Bundeskanzlerin sehr dankbar, dass sie bei den offenen Fragen - ob es um die Sicherung der EU-Außengrenzen, die Entscheidung über die Hotspots oder die Verhandlungen
mit der Türkei geht - immer an vorderster Front mitarbeitet, um das Ziel „weniger Flüchtlinge“ zu erreichen.
Kritik gibt es hingegen von der Opposition. Die
Grünen sehen in dem Abkommen eine Kehrtwende in der Politik Merkels (Rheinische Post, 19.03.2016). Dietmar Batsch, Vorsitzender der Linksfraktion, beschreibt
es als ein “Aktionsplan zur Flüchtlingsabwehr” und fordert, dass Flüchtlingsorganisationen die Mittel stattdessen erhalten sollten.
Das müssen Sie korrigieren. Dieses Geld muss doch bei den 2 Millionen Flüchtlingen aus Syrien ankommen und darf nicht etwa Herrn Erdogan zum Verteilen gegeben werden.
Ähnlich sieht es die Grüne Abgeordnete Annalena Baerbock.
Wir lassen es Ihnen auch nicht durchgehen, wenn Sie jetzt mit Blick auf die Türkei nach dem Prinzip „Aus den Augen, aus dem Sinn“ verfahren. Man
kann als Europa, wenn Milliarden fließen, nicht schweigen, wenn die Türkei nun nach Syrien abschiebt. Man kann nicht schweigen, wenn Flüchtlinge in der Türkei in Haftzentren festgehalten werden, sehr verehrte
Damen und Herren.
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